Spanien ist das Land in der Europäischen Union, in dem die meisten Zahnärzte ausgebildet werden. Zwischen 1994 und 2010 steigerte sich die Anzahl der Absolventen um 104%. Jeder zweite Zahnarzt befindet sich damit auf der Stellensuche. Zurzeit existieren 20 zahnmedizinische Fakultäten, davon sind 8 in privater Trägerschaft. Laut „Consejo General de Dentistas“, dem spanischen Berufsverband der Zahnärzte, sind an den privaten Fakultäten doppelt so viele Studenten eingetragen wie an den staatlichen. Es sind die privaten Fakultäten, in denen die besten Gehälter bezahlt werden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt einen Zahnarzt pro 3.500 Einwohner. In Spanien hat man die doppelte Dichte an Zahnärzten und in der Region Madrid die dreifache Anzahl an Zahnärzten, so dass man dort ein Zahnarzt für nur 930 Einwohner zuständig ist.
Hinzu kommt, dass Spanien dasjenige Land ist, in dem die Einwohner am seltensten den Zahnarzt besuchen. Dieser Trend hat sich durch die Wirtschaftskrise verstärkt und dazu geführt, dass die Patienten zunehmend die günstigeren Dienste der Universitätskliniken in Anspruch nehmen. Dort behandeln Studenten der Medizin unter ärztlicher Aufsicht. „In keinem europäischen Land ist die Anzahl an Zahnärzten so stark angestiegen wie in Spanien“, versichert Fernando Martín, Vorsitzender des spanischen Zahnarztverbandes. Jedes Jahr gibt es 1.500 Absolventen der Zahnheilkunde. Der Markt sei schon seit Jahren gesättigt. Jedoch gelingt es nicht, die Anzahl an Fakultäten auf ein marktgerechtes Maß zu reduzieren. Hier widersprechen sich zu sehr die wirtschaftlichen Interessen der zahnmedizinischen Fakultäten mit dem von der WHO definierten Bedarf an Zahnärzten.
Auswanderung von spanischen Zahnärzten
Alberto Luis, Mitglied der Studentenorganisation für Zahnheilkunde: „Es gibt zu viele zahnmedizinische Fakultäten in Spanien und als ob das nicht schon zu viel wäre. Die Eröffnung von neue Fakultäten ist schon in Planung. Somit werden noch mehr Zahnärzte die Fakultäten verlassen und den Markt schwemmen“. José Carlos de la Macorra, Dekan der zahnmedizinischen Fakultät an der Universität Complutense in Madrid bemerkt: „Die jährliche Anzahl an Absolventen ist zu hoch, was zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung von Zahnärzten führt“.
Im Jahr 2015 ist die Erwerbslosigkeit noch einmal angestiegen. Im Februar 2015 sind 494 Zahnärzte offiziell als erwerbssuchend gemeldet, von denen 363 keinerlei Beschäftigung nachgehen. Die Erwerbslosenquote ist in den letzen fünf Jahren um mehr als 7% auf 12,95% im Jahr 2015 gestiegen. Die beginnende Abschwächung der spanischen Wirtschaftskrise hat zur Eröffnung von neuen zahnmedizinischen Privatkliniken und damit zu Neueinstellungen von Zahnärzten, zahnmedizinischen Fachangestellten und Implantologen geführt. Jedoch liegen die Vergütungen für Berufsanfänger nur noch bei 800 bis 1.000 EUR/Monat. Generell hat das Überangebot an Zahnärzten zu prekären Beschäftigungsverhältnissen und zu gering vergüteten Mehrfachbeschäftigungen geführt.
Zusätzlich lässt sich unter den Absolventen der zahnmedizinischen Fakultäten ein Trend in die Selbständigkeit beobachten. Bis zum Jahr 2010 hebe die idealtypische Karriere eines spanischen Zahnarztes in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gemündet. Heute gehe er in die gering vergütete Selbständigkeit, so das spanische Bildungsministerium. „Es gibt ein neues Prekariat. Früher war die Zeit eines prekären Beschäftigungsverhältnissen ein Phänomen von Berufsanfängern gewesen. Heute hat sich deren Anzahl und deren Dauer auf unbestimmte Zeit verlängert“, fügt José Carlos de la Macorra hinzu.
Diese Situation führt zu einer verstärkten Auswanderung in die Niederlande, nach England, Frankreich und nicht zuletzt nach Deutschland und in die Schweiz. All diese Länder haben zu wenig Absolventen der Zahnheilkunde und daher einen nachhaltigen Bedarf an Zahnärzten und anderem medizinischen Personal. In Finnland bezahlt das Gesundheitsministerium den spanischen Absolventen einen Sprachkurs und über sechs Monate ein Grundgehalt. Wenn im Jahr 2007 nur 8,2% aller spanischen Zahnärzte die Anerkennung ihrer Berufstitel im europäischen Ausland beantragt haben, sind es im Jahr 2014 schon 56,4%. Die Bereitschaft steigt, innerhalb der EU nach anderen Beschäftigungsmöglichkeiten zu suchen. TTA vermittelt die Zahnärzte nach Berlin, München, Frankfurt, Stuttgart, Köln und in die Schweiz.