Die Bundesrepublik blickt auf eine mittlerweile mehr als fünfzigjährige Einwanderungsgeschichte zurück. In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts waren die Einwanderer gering qualifiziert oder unqualifiziert. Sie wurden im Rahmen des wirtschaftlichen Aufschwunges im Nachkriegsdeutschland benötigt, um den Bedarf an Industriearbeitern zu decken. Die Einwanderer kamen aus Italien, Spanien, Portugal, Jugoslawien und der Türkei. Sie arbeiteten im produzierenden Gewerbe, in der Stahl- und Industrieproduktion und im Dienstleistungssektor mit geringem Anforderungsprofil.
Aufgrund der sich verändernden Bedingungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt und der sich verbessernden Ausbildungsstandards in den Herkunftsländern hat sich die Zusammensetzung der Einwandererung verändert. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD hat hervorgehoben, dass sich in den letzen Jahren ein radikaler Wandel in der Zuwanderung vollzogen hat. Hoch qualifizierte suchen nach Erwerbschancen in Deutschland und der Schweiz. Gering Qualifizierte bleiben in den Herkunftsländern.
Nicht mehr Menschen mit geringer Qualifikation, sondern Ingenieure, Softwareentwickler, Ärzte und Pflegekräfte wandern nach Deutschland aus. Allesamt Professionen, für die man in Spanien ein Studium abgeschlossen haben muss. Die OECD-Studie aus dem Jahr 2014 bemerkt, dass 54% aller spanischen Einwanderer über einen Hochschulabschluss verfügen. Gestützt wird diese These durch die Studie des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB, welche die Zusammensetzung der Einwanderung aus Spanien untersucht hat.
Es handelt es sich bei der Qualifikation und Zusammensetzung der Einwanderer, die im letzten Jahrzehnt nach Deutschland gezogen sind, meist um hoch qualifizierte und gebildete Menschen: Fast 5o Prozent der Neuzuwanderer verfügten über einen Techniker, Meister- oder Hochschulabschluss. Zu dieser Gruppe an hoch qualifizierten gehören auch die spanischen Ärzte, Fachärzte und Pflegekräfte, die über einen Abschluss der Humanmedizin oder der Gesundheits- und Pflegewissenschaften verfügen. Diese Berufsgruppen haben geringe Erwerbschancen auf dem spanischen Arbeitsmarkt.
Mit Hochschulabschluss nach Deutschland
Deutschland profitiert von der hoch qualifizierten Zuwanderung aus Südeuropa. Diese Zuwanderung findet in Bereichen statt, in den es zunehmend schwer fällt, geeignetes Personal zu finden. Medizinisches Personal wird in Deutschland und der Schweiz gesucht. Die Vermittlung von Pflegekräften aus dem Ausland hat einen hohen Stellenwert in den Personalabteilungen von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser. Hinzu kommt die hohe Qualifizierung des medizinischen Personals aus Spanien. Während in Deutschland Gesundheits- und Krankenpfleger eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, verfügen Pflegekräfte aus Spanien über ein vierjähriges Studium, das mit dem Titel „grado en enfermería“ abschließt. Das spanische Studium umfasst 240 Credit Points mit insgesamt 6.150 Stunden und befindet sich inhaltlich und vom Zeitumfang auf europäischem Spitzenniveau.
Für die deutsche Gesundheitsversorgung stellen die akademisierten Pflegekräfte aus Spanien nicht nur eine Chance dar, den Notstand auf dem lokalen Pflegemarkt entgegenzuwirken. Die Pflegekräfte erhöhen durch das vierjährige Studium auch die Pflegequalität in den Krankenhäusern. Sie werden auf die Herausforderungen eines modernen Klinikalltages vorbereitet, in dem das Verständnis von komplexen Arbeitsprozessen die Voraussetzung für die Ausübung der Pflege geworden ist. Die Bedienung von hoch technischer Apparatemedizin und die Fähigkeit, aus komplexen Diagnosen einen Pflegeplan zu erstellen, wird im Studium der Pflegewissenschaften erlernt.
Eine Studie aus dem Jahr 2013 belegt, dass der Grad an Akademisierung von Pflegekräften die Sterberate von Patienten beeinflussen kann. Je höher der Anteil an akademisierten Pflegefachkräften, so das „International Journal of Nursing Studies“, umso niedriger ist die Sterberate von Patienten. Durch das Verständnis komplexerer Pflegepraktiken und einen besseren fachlichen Austausch mit den Ärzten, werden die besseren Entscheidungen in lebensentscheidenden Situationen getroffen.
Darüber hinaus stellt die Einwanderung von Ärzten die medizinische Versorgung auf dem Land und in den Behandlungszentren größerer Agglomerationen sicher. Die Ärztevermittlung aus dem Ausland, insbesondere aus Spanien und Südamerika steht auf der Prioritätenliste ganz oben. Sie leistet einen Beitrag, dem Ärztemangel in Deutschland, Österreich und der Schweiz entgegenzuwirken. Voraussetzung für einen Einsatz des medizinischen Personals ist die Sprachkompetenz B2/C1 des Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.