Die Einschnitte im spanischen Gesundheitssystem haben zu einem Umdenken in der spanischen Ärzteschaft geführt. Hat man sich im Jahr 2007 noch auf Erwerbsmöglichkeiten in Spanien konzentriert, geraten nun Deutschland, die Schweiz und andere nordeuropäische Länder in das Blickfeld.
Die Ärzte aus Spanien suchen Stabilität
Die Absolventen von medizinischen Fakultäten und Ärzte mit prekären Beschäftigungsverhältnissen suchen Stabilität, die sie in Spanien nicht mehr finden. Während im Jahr 2011 noch 1.100 spanische Ärzte auswanderten sind es im Jahr 2014 schon mehr als 3.300. Laut Berechnungen des Berufsverbandes der spanischen Ärzte OMC sind seit dem Jahr 2010 mehr als 12.000 Ärzte ausgewandert, Tendenz steigend.
Ein regelrechter Exodus, für den das Gesundheitsministerium verantwortlich sei, so der Berufsverband der spanischen Ärzte. Das Ministerium habe es versäumt, den genauen Bedarf an Dienstleistungen im Gesundheitsbereich zu ermitteln. Es sind meist Allgemeinmediziner, Kinderärzte und Anästhesieärzte, die sich um eine Beschäftigung im Ausland bemühen und damit genau diejenigen Spezialisierungen, in denen der größte Bedarf existiert. Diesen und zunehmend auch anderen Fachärzten werden nur noch Kurzzeitverträge angeboten mit einer Dauer von weniger als einer Woche oder Bereitschaftsdienste für einige Nachdienste. Das seien schwierige bis „unerträgliche“ Bedingungen, so der Berufsverband OMC. Die wirtschaftliche Not erhöht den Druck der spanischen und südamerikanischen Ärzte, ins europäische Ausland abzuwandern.
Profil der spanischen Ärzte
In der Mehrheit handelt es sich bei den ausreisewilligen Ärzten um Fachkräfte, die vor kurzem ihr Medizinstudium oder ihr Facharztstudium abgeschlossen haben und nun auf der Suche nach einer Beschäftigung sind. Einige von Ihnen haben bereits das Alter von 40 Jahre erreicht. Die spanische Arbeitsmarktkrise ist nirgends so sichtbar wie in der spanischen Hauptstadt. Madrid ist nicht nur die größte Stadt Spaniens, sondern auch die Stadt mit den meisten prekären Beschäftigungsverhältnissen. Mehr als 25% aller ausgewanderten bzw. auswanderungsbereiten Ärzte kommen aus Madrid.
Spanische Ärzte wandern aus
Sie wandern ins Vereinigte Königreich, nach Frankreich, Deutschland, in die Schweiz und nach Brasilien aus. Es sind diejenigen Länder mit einem Mangel an gut ausgebildeten Medizinern, da in diesen Ländern ein nicht zu deckender Fehlbedarf existiert. Die Ärztevermittlung von TTA greift auf den Überhang aus Spanien zurück.
Anerkennungsfähigkeit der Ärzte aus Spanien
Alle Ärzte, die Ihren Berufstitel in Spanien erworben haben und im Ausland arbeiten möchten, benötigen ein offizielles Dokument, das „certificado de idoneidad“, das die Anerkennungsfähigkeit des Berufstitels im Ausland garantiert. Dieses Tauglichkeitsdokument wird vom spanischen Berufsverband, dem „Consejo General de Colegios de Médicos“ ausgestellt und hat eine Gültigkeit von drei Monaten. Mit diesem Dokument und der Sprachkompetenz B2 stellen sich die Ärzte in den jeweiligen Zielländern vor, um die Anerkennung ihrer Berufstitel zu beantragen.
Keine Arbeit für spanische Mediziner
Bezogen auf seine Einwohnerzahl hat Spanien mehr medizinische Fakultäten als das Vereinigte Königreich, Frankreich, Italien oder Deutschland. Genau genommen hat Spanien mehr medizinische Fakultäten als alle Länder auf der Welt mit mehr als 20 Mio Einwohnern, ausgenommen hiervon ist allein Südkorea. Seit dem Jahr 2006 ist deren Anzahl von 28 auf 41 angestiegen. Von 4.250 Studienanfängern im Jahr 2006 fangen heute mehr als 7.000 Aspiranten pro Jahr ihr Medizinstudium an.
Kurzum: es gibt bei knapper werdenden Plätzen immer mehr Absolventen. Durch die Netto-Abwanderung der arbeitsfähigen Bevölkerung ins europäische Ausland und die andauernden Sparmaßnahmen des Gesundheitsministerium treffen immer mehr Mediziner auf immer weniger Stellen. Spanien hat einen jährlichen Überhang von mehr als 2.000 Ärzten.
Neben der zu großen Anzahl an Absolventen, kommt ein internes Problem hinzu: “Die Anzahl der Medizinstudenten muss in Relation zu den vorhanden Ausbildungsplätzen in den Krankenhäusern stehen. Zurzeit haben wir 1.000 Studenten mehr, als wir ausbilden können. Es gibt ungefähr 7.000 Studienplätze der Medizin und 6.000 Studienplätze zum Facharzt MIR”, sagt der Vorsitzende des spanischen Berufsverbandes für Medizin, Juan José Rodríguez Sendín.
Erwerbslosigkeit von spanischen Ärzten
„Daher“, so fügt er hinzu, „gibt es ca. 1.000 Medizinstudenten, die wir nicht zum Facharzt ausbilden können. Sie stehen auf Wartelisten und warten auf ein Zeichen von politischer Seite. Die Vermehrung der medizinischen Fakultäten und der Ausbildungsplätze für Mediziner steht in direktem Zusammenhang mit der Vermehrung von Krankenhäusern, bei denen wir nicht mehr wissen, wie wir diese finanzieren sollen“.
Sicherlich seien andere Studienzweige auch von der Entwicklung auf dem spanischen Arbeitsmarkt betroffen, jedoch gäbe es kaum einen Studienzweig wie den der Medizin, der ein zusätzliches Aufbaustudium benötige wie das zum Facharzt MIR mit einer Länge von mehr als vier Jahren. Nur so erhalte man eine Erwerbsmöglichkeit auf dem spanischen Arbeitsmarkt. Ohne den Titel MIR sei man nahezu chancenlos, so Juan José Rodríguez Sendín.
„Diesen 1.000 Studenten, die pro Jahr übrig bleiben, bleibt häufig kein anderer Ausweg als in die Länder auszuwandern, in denen ein erheblicher Bedarf an Ärzten und Fachärzten besteht“, bemerkt der Vorsitzende des spanischen Studentenrates (CEEM), Enrique Lázaro, und fügt hinzu: „es ist nicht schlüssig, Geld in die Ausbildung von Medizinern zu investieren, die niemand benötigt“. Man mag von der Privatisierung der Gesundheitswirtschaft halten, was man möchte, jedoch befinden sich unter den neuen Fakultäten nur acht in privaten Händen. Insofern ist die Vermehrung der medizinischer Fakultäten einer staatlichen Fehlplanung geschuldet. Der Vorsitzende des OMC erhebt schwere Vorwürfe an das spanische Ministerium für Gesundheit:
„Weder die Finanzierung noch die Planung des Personalbedarfs waren erfolgreich“, so Rodríguez Sendín. Vielmehr habe sich gezeigt, dass das Ministerium für Gesundheit am Bedarf vorbeigeplant habe: „Im Jahr 2001 solle es noch einen Überhang von 15.000 Ärzten gegeben haben. Sechs Jahre später, so eine Studie des Ministeriums, sollen 15.000 bis 20.000 Ärzte gefehlt haben. Und weitere sieben Jahre später, also heute, solle es wieder einen Überhang wie im Jahr 2001 geben. Derzeit befinden sich mehr als 3.000 Ärzte in der Erwerbslosigkeit, von den mehr als 90% ins Ausland abgewandert sind, um zu arbeiten“. Hieran zeige sich mehr als deutlich die Fehleinschätzung des Ministeriums für Gesundheit, so Rodríguez Sendín.